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61st IFLA General Conference - Conference Proceedings - August 20-25, 1995

Zur Geschichte des Buches in Deutschland (1450 1900) und zu ihrer Dokumentation

Dr Hans-Peter Geh, Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart, Germany


PAPER

Es ist wahrlich ein recht gewagtes Unterfangen, die so überaus reiche Geschichte des Buches in Deutschland in einem Referat zusammenzufassen. Dennoch will ich es versuchen, die Zeit von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metallettern bis zum Jahre 1900 in groben Zügen nachzuzeichnen. Abschließend werde ich dann noch kurz darstellen, in welcher Weise diese Geschichte, die sich als Streubesitz in den Beständen der deutschen Bibliotheken widerspiegelt, in einem seit 1992 erscheinenden Handbuch dokumentiert wird.

Was die Staatsbezeichnung Deutschland anbetrifft, so gilt es gleich zu Anfang darauf hinzuweisen, daß man erst seit 1871 von einem geeinten Deutschland sprechen kann. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war es in viele mehr oder weniger unabhängige Territorien geteilt, was auch im Hinblick auf die Druck , Verlags und Bibliotheksgeschichte von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen ist.

Um 1440 hat bekanntlich der aus Mainz stammende Goldschmied Johannes Gutenberg (1394/99 1468) den Buchdruck mit beweglichen Metallettern erfunden. Da Gutenberg eine Nachbildung der mittelalterlichen Handschriften anstrebte, mußte er alle Buchstaben, Abkürzungen, Ligaturen etc. zur Verfügung haben (etwa 290 Zeichen). Ein anschauliches Beispiel dafür ist sein prachtvoller Druck der 42 zeiligen lateinischen Bibel (1455). Von Mainz breitete sich die Buchdruckerkunst rasch aus. Es entstanden Druckereien in Bamberg (1460), Straßburg (1462), Augsburg (1468), Nürnberg (1470), Ulm (1472), Lübeck (1473) und in Köln, das mit 29 Offizinen der größte Druckort Deutschlands im 15. Jahrhundert gewesen ist. Es waren somit vor allem die großen Handelsstädte, die aus vielerlei Gründen für die Umsetzung der neuen Erfindung einen günstigen Nährboden abgaben.

Was die Inkunabeln (Drucke bis 1500) anbelangt, so war es das einhellige Bestreben der Frühdrucker, ästhetisch ansprechende und künstlerisch wertvolle Bücher zu produzieren. Dazu gehörten freilich auch Illustrationen. Sie stellen jedoch keinen Neubeginn in der Geschichte des Buches dar, sondern sind die Weiterentwicklung einer Tradition (Blockbuch) mit Hilfe der neuen Drucktechnik. So haben wir bereits in der erwähnten Gutenberg Bibel Initial und Rankenschmuck. Später lieferten dann mit der Ausbreitung des Buchdrucks bedeutende Künstler wie z.B. der Boccaccio Meister in Ulm und Augsburg um 1471 sowie Wolgemut und Pleydenwurff in Nürnberg und später Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Hans Holbein d.J. herrliche Buchillustrationen. Den reichsten Buchschmuck weist der Ulmer Äsop mit 125 Bildern auf. Die Buchillustration hatte vornehmlich die Aufgabe, zum besseren Verständnis des Textes beizutragen und somit auch dem Leseunkundigen einen Einblick in den Inhalt des Buches zu geben; außerdem erhöhten die bildlichen Beigaben auch das Kaufinteresse. Um jedoch keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen, sei an dieser Stelle noch hinzugefügt, daß die überwiegende Mehrheit der Inkunabeln ohne Schmuck gedruckt wurde, da ihr Inhalt Theologie, Scholastik und Rechtswissenschaft auf Bilder verzichten konnte. So erreichte der Buchdruck schon in den ersten Jahrzehnten trotz technischer Unvollkommenheit und mancher Improvisationskunst der Setzer, Drucker und Illustratoren eine noch heute bewunderte Hochform und Qualität, die in Deutschland erst wieder zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Privatpressen und einzelne Verlage erreicht wurde.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen, daß die Inkunabeln kein Titelblatt besaßen. Als Ersatz diente das Kolophon (Schlußstück eines Druckes). Dies war das erste Mittel, wodurch der Drucker Verleger sich kundtat, sich die wirtschaftliche Auswertung des fertigen Druckwerks sicherte und auch Werbung für sein Werk machen konnte. Die Titelseite ist dann in den Büchern nach 1500 zu einem integrierten Teil des Buches geworden und spielte eine ganz wesentliche Rolle. Die Titelei mußte sich dem Geschmack des Lesepublikums anpassen und freilich auch jeder Kunstperiode in den folgenden Jahrhunderten ihren Tribut zollen.

Die Auflagen in der Frühdruckzeit lagen durchschnittlich bei etwa 200, es gab jedoch auch Ausnahmen. So war der erste "Bestseller" Günther Zainers Druck (Augsburg) der "Imitatio Christi" des Thomas à Kempis, der 99 Ausgaben vor 1500 erreichte.

Im 16. Jahrhundert setzte sich die stetige Aufwärtsentwicklung des Druckereigewerbes, durch verschiedene Faktoren veranlaßt, besonders schnell fort. Statt in 60 wurde nun in 160 Orten gedruckt. Der Schwerpunkt verlagerte sich allmählich von Süd nach Mittel und Ostdeutschland. An neuen Druckorten sind vor allem Leipzig, Frankfurt und etwas später auch Wittenberg zu nennen, wo Martin Luther seine vielen Schriften und die Bibelübersetzungen drucken ließ. Wittenberg wurde somit zum wichtigsten Publikationszentrum der Reformation. Darüber hinaus gab sie vor allem durch die Bibelübersetzungen Luthers einen starken Anstoß zur Verbreitung von Druckwerken in der Volkssprache und trug auf diese Weise auch zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache bei. Von ganz besonderer Bedeutung war jedoch, daß der Buchdruck besonders durch die zahlreichen Flugschriften zum ersten Mal in seiner Geschichte zu einem wirkungsvollen Mittel für die politische und religiöse Auseinandersetzung wurde. So konnte der deutsche Schriftsteller Christoph Lichtenberg (1742 1799) mit Recht vermerken: "Mehr als das Blei in der Flinte hat das Blei im Setzkasten die Welt verändert." Auch stieg die Zahl der Auflagen ganz beträchtlich an. Von Luthers Bibelausgabe wurden zwischen 1534 und 1574 über 100.000 Exemplare verkauft, ähnliches gilt für diejenigen seiner katholischen Kontrahenten, vor allem Dietenbergers.

Durch die ständig wachsende Buchproduktion ergab sich die Notwendigkeit, die Druckwerke einem größeren Kundenkreis bekannt zu machen. Dies geschah vor allem auf den zweimal im Jahr abgehaltenen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Diese begannen schon im 15. Jahrhundert im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsmessen. Bereits Anfang des 16. Jahrhunderts war Frankfurt Mittelpunkt des europäischen Buchmarktes und ein Zentrum der gelehrten Welt. Ebenso war Leipzig, im Schnittpunkt großer Handelsstraßen gelegen, ein wichtiger Buchhandelsplatz. Bedeutend für den Buchhistoriker wurden die Messen aber erst, als man die dargebotenen Bücher in Meßkatalogen zusammenfaßte. Den ersten gab der Augsburger Buchhändler Georg Willer zur Frankfurter Buchmesse 1564 heraus. Seit 1574 wurden die Angaben darin noch umfassender, wodurch der Meßkatalog zu einem verläßlichen Verzeichnis aller im Berichtszeitraum erschienen Bücher wurde. Ab 1598 veröffentlichte dann der Frankfurter Rat den "Catalogus universalis", den offiziellen Ratsmeßkatalog. Dieser mündete in den kaiserlichen Meßkatalog ein, der in den Jahren 1618 1799 erschien.

Neben Frankfurt entwickelte sich, wie bereits angedeutet, Leipzig zu einer bedeutenden Buchstadt im 16. Jahrhundert. Zu den alljährlich dort abgehaltenen Buchmessen publizierte der Leipziger Buchhändler und Buchdrucker Henning Grosse ab 1595 Meßkataloge. Hinsichtlich der Anordnung waren diese Kataloge zunächst grob systematisch, dann alphabetisch nach Verfasser und Herausgeber gegliedert.

Interessant ist noch für die Frühzeit des Buchdrucks zu vermerken, daß sich die Geistlichkeit und die Fürsten gegenüber der neuen Erfindung recht reserviert zeigten, da Druckerzeugnisse die Meinung der Leser ganz entscheidend zu beeinflussen vermochten.

Hier hat die Zensur, die so alt ist wie das Buch selbst, ihren Ursprung. Sie wurde im Jahrhundert nach Gutenberg allgemeine Übung der geistlichen und weltlichen Mächte. Ihre Wiege stand auch in Mainz. Zusammen mit dem Rat der Stadt Frankfurt gründete nämlich der Kurfürst von Mainz, Erzbischof Berthold von Henneberg, 1486 die erste weltliche Zensurbehörde. Damit wollte er bezwecken, das neue Bildungsmittel unter strenge kirchliche Aufsicht zu stellen. Der erste allgemeine "Index Librorum Prohibitorum" erschien jedoch erst 60 Jahre später. Vorausgegangen war 1515 eine Papstbulle, in der angeordnet wurde, daß die Bischöfe und Inquisitoren jedes Buch vor dem Druck darauf zu prüfen hatten, ob sich ketzerische Stellen darin befinden. Diese Bulle hatte jedoch in den protestantischen Gebieten keine Wirksamkeit. Erst als die Verordnungen als Reichsgesetz herausgegeben worden sind, etwa ab 1524, wurden sie für alle Drucker bindend. Fortan durfte kein Buch ohne den Namen des Druckers und des Druckortes erscheinen.

Neben der Zensur kam noch ein weiteres Phänomen auf, das Verleger und Originaldrucker nicht unberührt lassen konnte, nämlich der Nachdruck. Er hatte seinen Grund in der gewaltigen Zunahme des lesenden Publikums, das vielschichtiger und differenzierter war als der frühere homogene Kreis der Fürsten, des Adels und der Akademiker. Nun wurde die Bildung allgemeiner, neue Kreise wurden für das Lesen gewonnen, darunter auch Frauen und Kinder. Daher war das Verlangen nach billigem Lesestoff groß, was die Nachdrucker weidlich ausgenutzt haben, zumal die Druckerprivilegien der Fürsten nur wenig auszurichten vermochten.

Hinsichtlich der Typographie brachte das 16. Jahrhundert eine Bereicherung unter dem Einfluß des Humanismus. Es entstand der Wunsch nach einer leicht leserlichen Schrift, einem schönen Druckbild und nach besserer Handlichkeit der Bücher (kleinere Formate).

Im Kunstbereich erwuchs dem Holzschnitt im Kupferstich ein Rivale. Es entstanden eine Reihe bedeutender Werke in dieser neuen Technik und der Kupferstich fand auch als Titelkupfer (Autorenportrait) Anwendung. Die luxuriöse Ausstattung mit Illustrationen in höchster Kupferstichqualität entsprach so ganz dem Wunsch der damaligen Fürsten und des Adels nach Repräsentation.

Hinzu kamen neue Buchbindetechniken und materialien und die Zahl bedeutender Einbandkünstler wuchs durch die Sammler, die ihre Bücher besonders schön einbinden ließen. Grolier in Frankreich und Jakob Krause in Deutschland, der zwischen 1560 und 1586 für den Kurfürsten August von Sachsen tätig war, seien hier als herausragende Repräsentanten genannt. So veränderten und bereicherten Reformation, Humanismus und Renaissance die Formen der Buchgestaltung im 16. Jahrhundert in entscheidender Weise und das Buch wurde auch zu einem wirtschaftlichen Faktor, ja zu einer Ware.

Das 17. Jahrhundert, das in politischer Hinsicht von dem Dreißigjährigen Krieg in Deutschland gekennzeichnet war, brachte einen Niedergang des Buches vor allem dort, wo die Auswirkungen des Krieges besonders spürbar waren. Aber auch ganz allgemein läßt sich konstatieren, daß die Qualität des Buchdrucks sank, da die Schriften eng geschnitten wurden, um Papier und Lohn zu sparen und auch die Sorgfalt, mit der man setzte, oftmals viele Wünsche offen ließ.

In diesem Jahrhundert traten jedoch neben das Buch neue Gattungen in Form der Wochen und Tageszeitungen und der ersten Zeitschriften. Schon 1566 erschienen in Straßburg und Basel Flugblätter, die durch Numerierung ankündigten, daß sie Teil einer Serie sind. Die Leipziger Zeitung, die von 1660 bis 1921 erschien, gehörte zu den ersten Zeitungen, die sich nach dem Geschmack einer neuen Leserschaft richtete.

Das gleiche Verlangen nach leichterem und rascherem Zugang zu interessantem Lesestoff, der das kompakte Neuigkeitsbuch in das flüchtige Zeitungsblatt verwandelt hatte, rief auch die Zeitschriften ins Leben. Denn auch sie sind ja in Wirklichkeit ein "Buch in Lieferungen". Philosophie und Wissenschaft waren darin beliebte Themen und die Literatur brach sich in ihnen immer mehr Bahn.

In das 17. Jahrhundert fallen aber auch die ersten Versuche, das gesamte Wissen in groß angelegten Lexika zusammenzufassen, eine Entwicklung, die, wie zu zeigen sein wird, im folgenden Jahrhundert ihren ersten Höhepunkt fand. Auch die Aufmachung der Bücher wandelte sich. Sie erhielten reich gestaltete Titel mit Frontispiz und viele Verzierungen durch Kupferstich und Radierung, die in gesonderten Druckverfahren in den Text eingefügt wurden. Bedeutsam wurden vor allem Städtebücher, Reiseberichte sowie kartographische Werke. Ich möchte hier nur das Prachtwerk des Frankfurter Kupferstechers Matthaeus Merian nennen, die "Topographie", welche Ansichten vieler Städte des In und Auslandes bietet. Großer Beliebtheit erfreuten sich aber auch in dieser Zeit neben Büchern mit naturwissenschaftlichen Abbildungen die Blumen und Tierbücher, vor allem von Maria Sibylla Merian: das "Schmetterlingsbuch" von 1679, das "Neue Blumenbuch" mit ganzseitigen Kupferstichen (1680) und ihr Hauptwerk "Die Insekten von Surinam" (1705), das viele wunderschöne handkolorierte Kupfertafeln enthält.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß als Folge der Kriegsereignisse auch zahlreiche Bibliotheken als Kriegsbeute verschleppt wurden. Nur ein prominentes Beispiel sei hier angeführt, die Bibliotheca Palatina, die katholische Fürsten dem Papst als Geschenk übergaben. So wurde sie von Heidelberg aus in die Vatikanische Bibliothek nach Rom gebracht, wo sie noch heute als ein besonderes Juwel aufbewahrt wird.

Im 18. Jahrhundert begann sich das Buch der Form anzunähern, in der wir es heute kennen. Das Format wurde handlich, die Drucktypen entsprechend kleiner und für die Einbände wurde anstelle des bisher häufig gebrauchten Pergaments meist Halbleder oder Karton verwendet. Auch wurde es bei den Buchbindern Brauch, kleine Zettel mit ihren Namen und ihrer Anschrift in den Innendeckel der von ihnen gebundenen Bücher zu kleben.

Das Bild des deutschen Buchdrucks im 18. Jahrhundert wird jedoch weniger durch den Drucker als durch die Autoren bestimmt. Hier sind vor allem die deutschen Klassiker zu nennen. Äußerst interessant ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen Autor und Verleger, das in zahlreichen Dokumenten und aufschlußreichen Briefwechseln, in denen z.B. ganz handfest um die Höhe des Honorars gestritten wurde, belegt ist. Drei Verlegerpersönlichkeiten, die sich den Klassikern Goethe, Schiller, Wieland etc. zuwandten, seien hier besonders hervorgehen: G.J. Göschen in Leipzig, J.F. Cotta in Tübingen, später Stuttgart, und J.F. Unger in Leipzig.

Doch je beliebter diese Autoren wurden, desto größer wurde die Nachfrage nach ihren Werken. Die Folge war, daß der unerlaubte Nachdruck aufblühte und den Verlegern und Druckern großen Schaden zufügte. Denn noch war der Begriff des geistigen Eigentums unbekannt und die deutsche Kleinstaaterei ließ die Privilegien der Landesfürsten für ihre Drucker nur sehr begrenzt wirksam werden. Erst durch den lockeren Zusammenschluß der Länder im Deutschen Bund im 19. Jahrhundert konnte eine entscheidende Änderung erreicht werden.

Mitte des 18. Jahrhunderts hatte Leipzig Frankfurt als Buchmessestadt den Rang abgelaufen. Dafür waren folgende Gründe maßgebend: in Frankfurt herrschte eine schärfere Zensur, die zentrale geographische Lage Leipzigs, die Niederlassung bedeutender Verlage in dieser Stadt und der Übergang vom Tauschhandel der Verleger zum Barverkehr. Der Frankfurter Messe wurde der Gnadenstoß versetzt, als 1764 eine bedeutende Leipziger Firma ihre Niederlassung in Frankfurt auflöste und andere Leipziger Firmen ein gleiches taten. Hauptinitiator war Philipp Erasmus Reich (1717 1787), der damals als Fürst des deutschen Buchhandels galt. Er war der Erfinder des Nettopreises, tat sich unermüdlich im Kampf gegen den Nachdruck hervor und hatte als erster den Gedanken, eine Buchhändlervereinigung zu gründen (1765).

Schließlich seien noch zwei Unternehmungen aus dieser Zeit hervorgehoben, die für die deutsche Buchgeschichte von Bedeutung sind. Hierzu zählte erstens der Wunsch, das gesamte bisher erworbene Wissen übersichtlich zusammenzuführen, was zur Entstehung großer Sammelwerke und Lexika führte. So gab, um nur ein bedeutendes Beispiel zu nennen, der Verleger Heinrich Zedler zwischen 1732 und 1750 sein "Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künstler" in 64 Bänden heraus. Und zweitens kam es zu vielfältigen bibliographischen Unternehmungen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die Titel aller bis dahin erschienenen Bücher aufzulisten. Die Erfassung begann, wie erwähnt, mit den Meßkatalogen, die nun die Grundlage bildeten für die Erstellung der Bibliographien durch T. Georgi "Allgemeines europäisches Bücherlexikon" (1793) und W. Heinsius "Allgemeines Bücherlexikon", das mit dem Jahr 1700 beginnt. Ebenso erfolgte die Erfassung der lateinischen Inkunabeln durch Wilhelm Panzer.

Zwar gilt das 19. Jahrhundert in Deutschland keinesfalls als eine besonders erwähnenswerte Epoche für das qualitätvolle Buch, es wurden jedoch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Erfindungen gemacht, die den Buchdruck in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ganz wesentlich beeinflußt haben: Schnellpresse, Farbendruck, Lithographie, Herstellung von säurehaltigem Papier aus Holz und Heftmaschine. Der Buchdruck veränderte auch in Teilen die äußere Form des Buches, indem das Oktav Format in großem Stil eingeführt wurde. Diese neuen Entwicklungen führten darüber hinaus zu einem Anstieg der Zahl der Druckereien sowie zu einer Differenzierung und Spezialisierung hinsichtlich der Druckverfahren. Durch die Technisierung konnten die Auflagen beträchtlich erhöht und die Produktionskosten wesentlich gesenkt werden. So vermochte man neue Leserschichten, die durch die Aufklärung und den Schulzwang in erfreulicher Weise entstanden, zu gewinnen und mit verhältnismäßig preiswerter Lektüre zu versorgen. War einstmals das Buch nur einer Elite verfügbar, so konnte es nun von jedermann entweder gekauft oder aber aus Bibliotheken zum Zweck von Bildung, Wissenschaft oder Unterhaltung entliehen werden.

Hierbei spielte freilich auch für Verleger, Kommissionäre, Buchhändler etc. auf der einen und den Lesern auf der anderen Seite der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der 1825 in Leipzig gegründet wurde, eine ganz entscheidende Rolle. Seine besonderen Verdienste in dieser Zeit für den Buchhandel lassen sich kurz zusammenfassen:

  1. Sicherung des Urheberrechts
  2. Erfolgreicher Kampf gegen Raubdrucke
  3. Einführung eines einheitlichen Ladenpreises
  4. Abschaffung der Pressezensur (1848).
Seit 1834 gibt der Börsenverein auch das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel heraus, das nun wesentlich dazu beitrug, den Bücherabsatz zu steigern. Wichtig war aber auch die Einrichtung der Buchhändlerbörse von daher rührt der Name Börsenverein zur Erleichterung des buchhändlerischen Abrechnungsverkehrs, vor allem auch in Messezeiten wegen der zahlreichen Währungen im damaligen Deutschland.

Lassen Sie mich nun mit einem positiven Schlußakkord den flüchtigen Gang durch die Geschichte des Buches in Deutschland beenden. Denn um die Jahrhundertwende verstärkten sich wieder die Bestrebungen hinsichtlich des qualitätvollen, schön gestalteten Buchs unter dem Einfluß des Engländers William Morris. Die Gründung zahlreicher Privatpressen, die Aktivitäten bibliophiler Gesellschaften, die Anstrengungen einiger Verlage und auch die Förderung durch den Buchhandel trugen ganz wesentlich dazu bei, daß das Buch sich nun wieder mit der Frühdruckzeit messen konnte.

In diesen Zusammenhang gehört auch und hier schließt sich der Kreis die Gründung des Gutenberg Museums der Stadt Mainz im Jahre 1900.

Und nun sei noch kurz auf die Dokumentation der Geschichte des Buches in Deutschland eingegangen.

Um die in den Bibliotheken trotz Kriegseinwirkung noch in reicher Zahl vorhandenen historischen Bestände von 1450 1900 für Wissenschaft und Forschung zu erfassen, regte bereits 1983 der Anglist und Buchforscher Prof. Bernhard Fabian (Universität Münster) an, ein entsprechendes Handbuch zu erarbeiten. Insgesamt werden 1200 Bibliotheken Deutschlands die Wiedervereinigung kam noch zum rechten Zeitpunkt in diesem "Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland", Hildesheim : Olms Weidmann, 1992ff., das auf 16 Bände angelegt ist, repräsentiert sein. Aufgenommen wurden historische Bestände von Staats , Universitäts , Regional , Stadt , Schul , Kirchen , Kloster , Privat und Firmenbibliotheken. Das Handbuch berücksichtigt jedoch nicht nur das im deutschen Sprachraum erschienene Schrifttum, sondern auch das fremdsprachige jeglicher Provenienz. Die Inventarisierung in diesem umfassenden Werk richtet sich nicht auf das Buch, sondern auf die einzelne Bibliothek, nicht auf den einzelnen Titel, sondern auf die Sammlung.

Aufgrund des föderalen Aufbaus in Deutschland wird dabei eine Gliederung nach Bundesländern vorgenommen. Es handelt sich, da Deutschland eine Nationalbibliothek im klassischen Sinne bis zum heutigen Tag nicht vorzuweisen hat, um die Zusammenfassung von Streubesitz. Die Auswahl der Bibliotheken erfolgte durch die jeweilige Regionalredaktion, die auch für ihren Eintrag verantwortlich zeichnet.

Das Handbuch dient vornehmlich folgenden Zielen:

  1. als Nachschlagewerk und kulturwissenschaftliche Dokumentation
  2. als Vademecum für die bibliothekarische und wissenschaftliche Arbeit mit historischen Beständen. Diese Funktion ist deshalb von besonderer Bedeutung, da in Zukunft vor allem aus konservatorischen Gründen das Buch nicht mehr zum Wissenschaftler kommen wird.
  3. Zur Erfassung der Bibliotheken, da es in der Verbindung von Bestandsbeschreibung und Bestandsgeschichte die Bibliotheksbestände in historische und systematische Zusammenhänge stellt.
Jeder Bibliothekseintrag besteht aus sechs Teilen:
  1. Administrative Angaben (z.B. Adresse bis hin zu den Öffnungszeiten der Bibliothek)
  2. Bestandsgeschichte
  3. Bestandsbeschreibung, das Kernstück eines jeden Eintrags. Diese Beschreibung charakterisiert den Bestand in seiner chronologischen Schichtung, in seiner sprachlichen Aufgliederung jeweils mit Zahlenangaben und in seinem systematischen Aufbau.
  4. Übersicht über die vorhandenen Kataloge
  5. Zusammenstellung der Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Bibliothek
  6. Bibliographie von Veröffentlichungen zu den Beständen.
Das klar aufgebaute und gut leserliche Handbuch gibt somit einen vorzüglichen Überblick über die in ganz Deutschland verteilten historischen Buchbestände und hat bereits aufgrund seines Vorbildcharakters in Österreich zu einem entsprechenden Unternehmen geführt.