19 August 2014

Starke Bibliotheken = starke Gesellschaften: Erklärung und Debatte

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Von Anne-Sophie Pascal

Die Sitzung der Präsidentin

Die gestrige Sitzung der Präsidentin steckte voller überzeugter Stellungnahmen zur Bedeutung von Bibliotheken bei der Unterstützung der Meinungs- und Informationsfreiheit.

Veröffentlichung der Erklärung von Lyon

Um den Zweck der Erklärung von Lyon zu verstehen, sollte man zunächst ein Verständnis für den globalen Kontext der Entwicklungsagenda nach 2015 gewinnen. Die Erklärung von Lyon über den Zugang zu Informationen ist ein Dokument bibliothekarischer Fürsprache, das deutlich die Notwendigkeit herausstellt, bei der Unterstützung von Regierungen den Zugang zu Informationen als einen entscheidenden Faktor anzuerkennen, um Entwicklungsziele zu erreichen und Bürger und Bürgerinnen dazu zu befähigen, informierte Entscheidungen zu treffen, um so ihr Leben zu verbessern. Bibliotheken sollten eine wesentliche Rolle dabei spielen, diesen Zugang einfacher und effektiver zu gestalten.

Die IFLA-Präsidentin Sinikka Sipilä und der stellvertretender Generalsekretär Stuart Hamilton stellten den Kontext der Erklärung von Lyon vor, sowie Online-Tools, die BibliothekarInnen dabei unterstützen, diese in ihren Institutionen zu bewerben. Diese sind auf einer eigens dafür vorgesehenen Website abrufbar.

Bruno Racine, Präsident der französischen Nationalbibliothek, machte deutlich, dass die traditionelle Aufgabe von Bibliotheken, den einheitlichen Zugang zu ihren Sammlungen zu gewährleisten, nun durch die Notwendigkeit verstärkt wird, NutzerInnen dabei zu unterstützen, Informationen kritisch zu bewerten. Vermittlung ist vielleicht die wichtigste Mission der BibliothekarInnen geworden. So hat zum Beispiel die französische Nationalbibliothek vor kurzem eine Reihe thematischer Dokumentationszentren (nachhaltige Entwicklung, Unternehmertum, etc.) eröffnet.

Gérard Collomb, Bürgermeister von Lyon und Präsident des Großraums Lyon, hob die Beteiligung der Stadt Lyon bei allen Aspekten der Förderung von Büchern und der kulturellen Stärkung der BürgerInnen hervor. 20% des Kulturetats von Lyon kommt den öffentlichen Bibliotheken zu Gute. Zudem unterstützt die Stadt eine Reihe von Festivals zu unterschiedlichen Literaturgattungen wie Krimis oder Comics. Gérard Collomb zog eine sehr interessante Parallele zwischen der humanistischen Revolution im 16. Jahrhundert und der numerischen (Daten-)Revolution heute. Lyon war ein wichtiges Zentrum humanistischer Literatur und hat technologische Innovationen stets begrüßt.

Die Erklärung von Lyon ist dann vor einem stimmigen historischen Hintergrund zu sehen.

Starke Bibliotheken = Starke Gesellschaften: Online-Partizipation für starke Informationsgesellschaften

Nach einer umfassenden Einführung durch die IFLA-Präsidentin Sinikka Sipilä befassten sich sechs ReferentInnen genauer mit wichtigen Aspekten des Mottos der Präsidenten. Die Reden und Fragen wurden von Martyn Wade (Vorsitzender des FAIFE-Ausschusses), moderiert.

IFLA-Vorstandsmitglied Maria-Carme Torras I Calvo bestand auf der Tatsache, dass Information nicht von der Fähigkeit, diese zu analysieren, getrennt werden kann. BibliothekarInnen müssen diese beiden Aspekte im Blick haben, wen sie neue Projekte entwickeln.

Catherine Lucet stellte die Sache aus Sicht der Verlage dar und erwähnte, dass es für BibliothekarInnen wichtig ist, nicht nur auf den Preis von Büchern und Abonnements zu achten, sondern auch auf die weiteren wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Erwerbung, besonders für Entwicklungsländer.

Anriette Esterhuysen hielt eine dynamische Rede darüber, wie wichtig es sei, dass BibliothekarInnen auf die lokalen und nationalen Einrichtungen der Politik einwirken. "Leben Sie Ihren inneren Lobbyisten aus!", forderte sie die TeilnehmerInnen auf, die aus ihrer politischen Komfortzone herauskommen und die Infrastrukturen des Internets, Meinungsfreiheit und Zensur erkunden und sich für Open Data und offenes Regierungshandeln (Open Government) einsetzen sollen.

Ernesto Hartikainen stellte einige erfolgreiche Beispiele für E-Demokratie vor, die in Finnland im Einsatz sind, z.B. auf den Webseiten: Demokratia.fi, Kansalaisaloite.fi, Lausuntopalvelu.fi. Einige dieser Seiten sind auch auf englischer Sprache verfügbar.

Andy Richardson stellte die "Beteiligung aus der Perspektive des Parlaments" vor. Die Beteiligung an formalen Prozessen ist eine herausfordernde Aufgabe, vor allem wegen der Krise der traditionellen politischen Parteien. Um eine effektive E-Partizipation zu ermöglichen, muss der Bevölkerung Zugang zu Informationen gewährt werden. Andy Richardson nannte die Beispiele Botswana speaks, mit dem die Bevölkerung Nachrichten an ihre Abgeordneten senden kann, und die Parlamentsbibliothek in Chile, die ein Übersetzungsprojekt von Gesetzestexten in allgemein verständliche Sprache entwickelt.

Martine Reicherts sprach über zwei wichtige Entscheidungen der Europäischen Union:

  • Das "Recht, vergessen zu werden" (digitale Anonymität) wird ihrer Meinung nach allgemein missverstanden, vor allem von Medienorganisationen. Dieses Recht ist nicht absolut. Es muss mit der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit abgewogen werden.

  • Die EU muss außerdem ein einheitliches gesamteuropäisches Datenschutzgesetz vorantreiben. Dies stellt für alle europäischen BürgerInnen ein großes Anliegen dar.  Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass bis zu 92% der Menschen in Europa durch die Art und Weise, mit der persönliche Daten von mobilen Geräten gesammelt und gespeichert werden, "sehr beunruhigt" sind.

Die Fragen nach den Reden waren sehr interessant und zeigten, wie wichtig diese Themen für BibliothekarInnen auf der ganzen Welt sind.

Last update: 19 August 2014